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Experten im Gespräch sagen Pilzen ade: Die feuchtkalte Gefahr Problem „Dichtstoffe und Schimmelpilzbefall“ (IVD 605)

 Am Käse mag der Schimmel seine Berechtigung haben – da akzeptieren wir ihn als „Leben“. In der Wohnung ist er unerwünscht, wird sogar als Bedrohung wahrgenommen. Nichtsdestotrotz: Er ist da. Häufig da, wo es feucht ist: im Sanitärbereich und hier auch auf Fugenabdichtungen. Dort sorgt er für Konflikte zwischen Mietern und Hausbesitzern, für Streit zwischen Auftraggebern und Handwerkern, für Peinlichkeit zwischen Hausfrauen und Besuchern. Wo liegen die Ursachen des Pilzbefalls? Wie könnte man ihm vorbeugen? Und wie lässt er sich im Falle eines Falles sanieren? Solche Fragen beleuchteten Experten aus ganz verschiedenen Bereichen – Vertreter von Investoren, aus Handwerk und Industrie – im Rahmen einer Diskussionsrunde, zu welcher der INDUSTRIEVERBAND DICHTSTOFFE E.V. IVD nach Düsseldorf eingeladen hatte. Thema: „Dichtstoffe und Schimmelpilzbefall“.
Hauspilze (landläufig Schimmel genannt) sind peinlich. Und man findet sie fast überall. Leider bleiben sie nicht nur hinter Wandverkleidungen oder Schränken an der Außenwand versteckt, sondern springen von den Fliesen an der Badewanne geradezu ins Auge aller kritischen Schwiegermütter auf Besuch.
„Diese Konflikte ließen sich zur Not noch aushalten“, meint Ingo Apel, Jurist und Vorstandsmitglied des Hausbesitzerverbandes „Haus und Grund NRW“ in Düsseldorf. „Aber ans Eingemachte geht der Konflikt zwischen Mietern und Vermietern. Denn hier geht es um richtiges Geld – um Mietminderung oder gar Mietausfälle wegen der Gesundheitsbelastung – und das bei jedem zweiten Haus.“

Die Pilzschuldfrage

Nur: Wer ist denn eigentlich schuld am Pilzbefall? Die Industrie, die ihre Produkte nicht mit ausreichend starken Dosen fungizider Chemikalien anreichert? Die Architekten, die „ohne Rücksicht“ auf die Bauphysik drauf los planen? Die Handwerker, die beim Verfugen pfuschen? Die Mieter, die nicht ordentlich putzen? Die Hausbesitzer, die am falschen Ende sparen?
„Das Problem lässt sich gar nicht aus der Welt schaffen, weil es Teil der Welt ist“, ist Fliesenlegermeister Hans-Willibert Ramrath vom Fachverband Deutsches Fliesengewerbe überzeugt. „Deshalb ist eigentlich auch niemand wirklich schuld. Das Handwerk kann die Naturgesetze weder ändern noch die Verantwortung für sie übernehmen. Pilzsporen und andere Mikroorganismen sind unsichtbar überall, innerhalb und außerhalb der Häuser, in unserer Atemluft, auch in unseren Körpern, in unserem Essen. Und es gibt allein im Haus rund 120 Pilzarten, von denen die Schimmelpilze im engeren Sinn nur einen Teil ausmachen. Auffällig werden sie nur da, wo sie so gute Lebensbedingungen finden, dass ganze Pilzkulturen entstehen.“
Auffällig ist aber auch, dass sie heute offensichtlich bessere Lebensbedingungen finden als noch vor Jahren. Das Thema war früher einfach kein Thema. Für Malermeister Erwin Brindöpke, Hauptverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz e.V., ist der Sündenfall so klar wie in der Bibel. „Als Folge der Ölkrise haben wir seit der Wärmeschutzverordnung 1976 einen gesetzlich verordneten Schimmelpilzzwang.“ Die Erklärung: „In den alten Zeiten, als man noch nicht lüften musste, weil es ohnehin durch alle Ritzen zog, war es nicht nur den Menschen zu kalt, sondern auch dem Schimmelpilz“, so Moderator Louis Schnabl. „Heute sind dichte Fenster und Türen ebenso Standard wie eine ordentliche Wärmedämmung. Behagliche Wärme ist ein Fortschritt, hinter den wir nie mehr zurückwollen. Doch der Fortschritt hat seinen Preis: Im warmen, feuchten Klima von Küche, Bad oder Sauna, d.h. bei mehr als 70° Luftfeuchte, fühlen sich nicht nur die Menschen wohl, sondern gedeihen auch Pilze gut.“

Der Preis der EnEV

Müssen wir diesen Preis zahlen? Können wir uns das leisten, ihn zu zahlen? Auch wenn direkte Zusammenhänge schwer nachweisbar sind: Der von Jahr zu Jahr größer werdende Anteil von Menschen, die an Allergien oder Atemwegserkrankungen leiden, muss sensibel machen. Ingo Apel: „Die EnEV ist faktisch eine Verordnung zur Hebung der Volkskrankheit. Unsere Gesetze verlangen etwas, was praktisch nicht realisiert werden kann.“ Was also ist zu tun?

Guter Nährboden

„Zunächst müssen wir sehen, unter welchen Bedingungen Pilze besonders gut gedeihen“, so Dr. Michael Futscher, Mitarbeiter im Technischen Arbeitskreis des IVD. „Gut gedeihen können sie da, wo es dauerfeucht ist und wo wenig Luft hinkommt. Dauerfeucht ist es da, wo ein zu weit innen liegender Taupunkt dafür sorgt, dass schon die normale Luftfeuch-tigkeit kondensiert. Das ist häufig der Fall in den Sanitärzellen, die in vielen modernen Häusern keine Außenfenster mehr haben und sich einfach nicht ordentlich lüften lassen.“ Wenn dann einzelne Wände oder Wandteile an Außenwänden liegen, deren innere Oberflächentemperatur unter 12° C fällt, so dass zwangsläufig Luftfeuchtigkeit kondensiert und sich als Feuchtigkeitsfilm über die Wand legt, ist eine Nährlösung für Mikroorganismen gegeben. Das mag bei glatten Fliesenoberflächen noch angehen. Wo dieser Untergrund aber rau ist wie bei zementären Fugendichtungen und vor allem, wo sich Seifenreste und Hautpartikel auf dem Dichtstoff ablagern wie bei den Anschlussfugen zwischen Badewanne oder Waschbecken und gefliester Wand, findet diese Nährlösung zugleich günstige Wachstumsbedingungen.

Verändertes Bauen verändert Planen verändert Wohnen

„Wir können das Rad der Geschichte sicher nicht zurückdrehen. Die EnEV ist Realität, und sie hat das Bauen nun einmal nachhaltig verändert“, stellt Kurt Haaf, Technischer Vorsitzender des Fachverbandes Fugendabdichtung e.V. fest. „Aber wenn sich das Bauen verändert, dann muss sich auch das Planen verändern. Dann müssen Architekten nicht nur über originelle Grundrisse nachdenken, sondern auch über die Lüftbarkeit, und Bauingenieure nicht nur über den k-Wert, sondern auch über den Taupunkt.“
Müssten dann nicht auch die Entwickler der Industrie über Produkte nachdenken, z.B. über Fugendichtstoffe, die durch Zusatz entsprechender Fungizide und Biozide jeden Versuch von Mikroorganismen, sich niederzulassen, gleichsam im Keim ersticken? „Keinesfalls“, findet Heinz Ohm, Vorsitzender des IVD und Geschäftsführer des Dichtstoffherstellers EGO. „Wir können nicht über die gesundheitlichen Gefahren unerwünschter Mikroorganismen nachdenken und gleichzeitig bedenkenlos die chemische Keule schwingen, zumal die Brüsseler Richtlinien hier klare Grenzen setzen. Außerdem würden Fungizide an der Dichtstoffoberfläche über kurz oder lang naturgemäß ihre Wirksamkeit verlieren. Und nicht zuletzt“, betont Ohm, „ist die Aufgabe des Dichtstoffs, ordentlich abzudichten. Dichtstoffe sind kein Wirkstoff gegen Schimmelpilze!“

Fuge als Pflegefall?

Haaf: „Also kann auch der Verarbeiter im Regressfall nicht zur Verantwortung gezogen werden, vorausgesetzt, die Fuge ist fachgerecht nach den Normen und entsprechend den IVD-Richtlinien abgedichtet. Denn wenn die Fuge dicht ist, Feuchtigkeit nur von außen auf die Oberfläche kommen kann, und wenn die Oberfläche glatt gezogen ist und so an der Fugenkante anhaftet, dass sie problemlos zu reinigen ist, liegt ein etwaiger Pilzbefall nicht mehr im Handlungshorizont des Handwerks.“
Zu berücksichtigen bleibt, dass aufgrund starker Nutzung die Funktionsdauer der Abdichtung begrenzt ist.
Das ist mit Sicherheit der Fall, wo zum Beispiel in den Duschen von Sportanlagen oder in Hotels durch Dauernutzung selbst bei permanenter Lüftung die Feuchtigkeit nicht wegzukriegen ist. „Das wäre dann ein Fall für eine Wartungsfuge nach DIN 12460“, so Haaf, „die man eigentlich besser Pflegefuge nennen müßte. Beim Auto gibt´s ja auch regelmäßig Wartungen und TÜV-Prüfungen, bei deren Nichtbestehen die Haftung erlischt. Aber beim Auto wie an der Fuge kann ein Handwerksbetrieb dem Nutzer nicht alles abnehmen. Die regelmäßige Reinigung der Fugenoberflächen ist unabdingbar.“ Eine „Pflegeversicherung“ für Fugen als Angebotsbestandteil des Handwerks?

Frischluft für die Hausgesundheit

Ausreichende Hygiene ist Aufgabe des Nutzers. Ebenso die ausreichende Lüftung. Louis Schnabl: „Im Baubereich hat sich doch das Problem in dem Maße verschärft, in dem das Bewusstsein für die richtige Lüftung nicht mit dem Fortschritt in Sachen Wärmedämmung und Gebäudedichtheit Schritt hält.“
Was sicher gelungen ist, ist die Sensibilisierung für die Notwendigkeit des Energiesparens. Kein Mensch heizt mehr zum Fenster hinaus. Denn das Geld, das im Beutel fehlt, erzeugt Phantomschmerzen. Schlechte Luft hingegen tut nicht weh.
Davon können die Hausbesitzer ein Liedlein singen. Ingo Apel: „Breiten Schichten der Bevölkerung fehlt jedes Problembewusstsein. In den besser gestellten Schichten mag es noch angehen. Die kann man zur Not mit Merkblättern aufklären. Aber was machen Sie mit den Schichten, die kaum in der Lage sind, den Mietvertrag zu verstehen? Die Hausbesitzer sind doch doppelt gestraft. Erst zwingt der Gesetzgeber sie zu teuren Investitionen in die luftdichte Gebäudehülle. Dann bestraft er sie durch allzu mieterfreundliche Gesetzgebung. Der Nutzer profitiert gern von den geringeren Heizkosten, sieht aber nicht ein, sein Lüftungsverhalten so zu ändern, dass die Mietsache ihren Wert behält. Im Gegenteil: Wenn als Folge schlechter Lüftung und Hygiene ein sichtbarer Pilzbefall auftritt, ruft er nach dem Hausbesitzer, der die Sanierung bezahlen soll. An ihm bleibt es meist hängen, weil mangelnde Hygiene und schlechtes Lüften sich ja in der Regel nicht nachweisen lassen.“ Und wenn doch, bleibt es letztlich wieder häufig am Sozialamt hängen.
Ein Dilemma, für das es keine wirkliche Lösung gibt.

Konzertierte Aktion gegen Pilzbefall

„Es ist offensichtlich“, so Ohm, „dass wir zu konzertierten Aktionen finden müssen. Dazu kann diese Runde allerdings den nötigen Anstoß geben.“ Eindeutig ist, dass zum Thema Lüftungsverhalten und Pflege eine Kommunikationsoffensive vonnöten wäre, die auch von Regierungsseite mit ebensoviel Verve betrieben werden müsste wie seinerzeit die Kommunikationsoffensive zugunsten der Wärmedämmung und des Energiesparens. Und vergleichbar dem Informationsblatt an Endverbraucher, das der IVD dem Handwerk bereits als Aufklärungsinstrument zur Verfügung stellt. „Da mit dem Staat aber nicht zu rechnen ist“, so Ohm, „müssen wir selbst die Initiative ergreifen und jeder an seinem Platz, aber gewerkübergreifend tätig werden. Diese Gesprächsrunde war ein wichtiger erster Schritt, der sicher deutliche Impulse in den Markt bringt. Diese Impulse gilt es jetzt aufzugreifen und zu verstärken.“ HS

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